Die Corona-Pandemie nagt an unserer Psyche. Zustände von Angst, innerer Unruhe und Erschöpfung sind für viele zum Alltag geworden. Daraus können sich langfristige psychische Störungen wie Depression, Angststörungen oder Schlafstörungen entwickeln. Wir blicken auf ein Jahr Corona-Pandemie zurück, betrachten, was die ständige Bedrohung und Isolation mit uns macht und geben Tipps, wie man seine Psyche gesund durch die schwierigen Zeiten trägt.
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Alles fing letzten Winter an, als wir zum ersten Mal vom Coronavirus aus Wuhan hörten und seine Konsequenzen noch kaum erahnen konnten. Ende Januar wurde dann der erste Fall in Deutschland bestätigt und brachte die unbekannte Bedrohung auch in unseren Alltag. Spätestens ab März war allen klar: Unser Leben, wie wir es kennen, wird auf den Kopf gestellt: mit einer Schließung der Schulen, Lokale und Fitnesscenter, Maskenpflicht und Social Distancing.
Die Maßnahmen waren für die Eindämmung des Coronavirus wirksam, für unsere Psyche eine echte Herausforderung. Mittlerweile ist die gefürchtete zweite Welle voll im Gange und erneute Beschränkungen werden etappenweise bekanntgegeben. Es wird deutlich: Die Corona-Pandemie wird unser Leben weiterhin begleiten. Welche langfristigen Auswirkungen auf unser psychisches Wohlbefinden hat das?>
Die dauerhafte Bedrohung durch den potenziell tödlichen Virus kann innere Unruhe, Erschöpfung und Ängste auslösen. Viele Menschen empfinden gerade Hilflosigkeit und Überforderung angesichts der schwer fassbaren globalen Auswirkungen. Auch die Kontakt- und Ausgehbeschränkungen drücken auf unsere Psyche. Einschränkungen im Alltag bis hin zur völligen Selbstisolation sind gefordert. Das kann Einsamkeit und Frustration auslösen. Und Schuldgefühle, wenn man es nicht schafft, die Verhaltensvorgaben einzuhalten.
Hinzu kommt eine allgegenwärtige Konfrontation mit den Themen Leid und Tod. Plötzlich sind wir andauernd mit Schlagzeilen über Sterbefälle, Bildern von Beatmungsgeräten und Menschen in Schutzkleidung konfrontiert. Die menschliche Sterblichkeit wurde ins alltägliche Bewusstsein gerückt.
Haben psychische Erkrankungen zugenommen? Auswertungen der Versichertendaten von Krankenkassen legen das nahe. Bei der Kaufmännischen Krankenkasse wurde ein Zuwachs von 80% von Krankmeldungen aufgrund psychischer Erkrankungen verzeichnet². Für die Beurteilung psychischer Langzeitfolgen der Pandemie-Situation liegen allerdings noch nicht ausreichend repräsentative Daten vor. Folgende psychische Störungen sind jedoch im Fokus der Forschung:
In einer repräsentative Studie⁴ in Großbritannien im April wurde die größte Zunahme psychischer Belastungen bei Frauen, jungen Menschen und Menschen mit Kindern im Vorschulalter beobachtet. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich:
➀ Frauen sind im Allgemeinen sind einer erhöhten Belastung ausgesetzt. Zum einen, weil sie besonders häufig in Care-Berufen arbeiten. Darüber hinaus sind aber auch Fälle häuslicher Gewalt seit Beginn der Corona-Pandemie enorm gestiegen.
➁ Berufstätige Mütter und Väter waren während des ersten Lockdowns mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert: Die Schließung der Kitas und Schulen forderte von ihnen eine anstrengende Balancierung von Berufs- und Familienleben. Mit dem Kind auf dem Schoß ein Zoom-Meeting halten? Geht vielleicht irgendwie noch. Gleichzeitig Spielpartner sein, Mittagessen zubereiten oder Schulersatz bieten? Unmöglich!
➂ Junge Menschen: Eine Altersgruppe, die bzgl. der psychischen Folgen der Pandemie häufig übersehen wird, aber einigen Studien nach den stärksten Zuwachs an Depressionen erlitten hat. Bei 18-25-Jährigen hat sich die depressive Symptomatik besonders verstärkt⁶. Neben der wegfallenden Tagesstruktur wegen geschlossenen Schulen und Universitäten spielen vor allem der fehlende Kontakt mit Freunden eine wichtige Rolle.
➃ Auch die Angestellten im Gesundheitswesen, wie Pfleger*innen, Krankenschwestern und Ärtz*innen, sind einem erhöhten Risiko psychischer Störungen ausgesetzt. Neben der intensiven Arbeitsauslastung sind die Mitarbeitenden des Gesundheitswesens damit konfrontiert, sich selbst und ihr soziales Umfeld durch eine potenzielle Infektion zu gefährden. Der “Corona-Stempel” führt nicht selten dazu, dass sie gemieden werden und sich dadurch noch einsamer fühlen.
➄ Bereits vor der Corona-Pandemie psychisch Erkrankte trifft es besonders hart. Ihre Symptomatik, wie Ängste, Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen, können durch die neuen Umstände nicht nur verstärkt werden, auch ihre Versorgung ist nicht mehr garantiert. Denn durch die Maßnahmen gibt es mehr Therapieausfälle, weniger Gruppenangebote und Aufnahmebeschränkungen in Psychiatrien.
Eine Pandemie dieser Größenordnung zu erleben, ist für alle eine Belastung. In solchen schwierigen Zeiten wird Resilienz benötigt - das ist die Widerstandskraft und Fähigkeit, für Krisen emotional gewappnet zu sein. Manche Menschen sind resilienter als andere, aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen und genetischer Programmierung. Doch Resilienz lässt sich auch lernen und fördern⁸: indem man positives Denken trainiert, sich seiner Stärken bewusst wird, sie einsetzt und so Kontrolle zurückerlangt. Dass das nicht von heute auf morgen kommt, ist klar. Bis dahin helfen die folgenden praktischen Tipps, Deine psychische Gesundheit und Resilienz in Krisenzeiten zu stärken.
Tagesstruktur schaffen
Gegen Einsamkeit im Social Distancing:
Stress und Aggressionen zuhause abwehren
Bewegung gegen die Erschöpfung
Corona-freie Zeiten einlegen: Kopf frei machen - aber wie?
Entspannungsübungen
Schlafhygieneregeln kennen
Vorübergehende Ängste, Verstimmungen und leichte Schlafprobleme sind normal - gerade in herausfordernden Zeiten. Die Psychohygiene-Tipps können dabei helfen, mit Sorgen umzugehen, Anspannung abzubauen und das psychische Wohlbefinden zu verbessern. Bei anhaltender starker psychischer Belastung sollte aber professionelle Hilfe in einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Praxis gesucht werden. Mit ausreichendem Abstand und Einhaltung der Hygieneregeln sind therapeutische Gespräche möglich. Immer mehr Psychotherapeut*innen satteln zudem auf Online-Therapie um.
¹https://www.rnd.de/gesundheit/woher-kommt-corona-ursprung-von-coronavirus-durch-forscher-entdeckt-GZG6XZOWNNDTNO7LWJOOBIGNJU.htm
²Corona-Pandemie und psychische Erkrankungen. BPtK-Hintergrund zur Forschungslage (17.08.2020), Bundespsychotherapeutenkammer
³https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-1160-3069?utm_campaign=newsletterwhoosh&utm_source=themen-nl&utm_medium=email&utm_content=20ku12_20oy71_20onx7&update=true#N69335
⁴https://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(20)30308-4/fulltext
⁵https://www.hfp.tum.de/globalhealth/forschung/covid-19-and-domestic-violence/
⁶https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/coronavirus-karlsruhe./wohl-mehr-schwere-depressive-symptome-in-corona-pandemie;art6066,2536446
⁷Jianbo Lai et al. Factors Associated With Mental Health Outcomes Among Health CareWorkers Exposed to Coronavirus Disease 2019. In JAMA Network Open. 2020;3(3):e203976.
⁸https://www.psychologie-heute.de/leben/38838-resilienz-laesst-sich-lernen.html
⁹https://www.psychologische-hochschule.de/2020/03/jacobi_umgang-mit-quarantaene/
¹⁰Ströhle, A. (2009). Physical activity, exercise, depression and anxiety disorders. Journal of neural transmission, 116(6), 777.
¹¹https://www.psychologische-hochschule.de/2020/03/jacobi_umgang-mit-quarantaene/